Fortyone: Wie stehen die Dinge, Dirk?
Dirk: Unglaublich, wie diese Saison schon wieder verflogen ist. Es war ein schweres Jahr mit vielen Tiefen. Ein paar Höhen waren auch dabei, ein paar gute Siege, aber im Endeffekt war es ein frustrierendes Jahr. Wir versuchen aber, die Saison gut zu Ende zu spielen, und die jungen Spieler auch in engen Spielen ihre Erfahrungen sammeln zu lassen. Und dann hoffe ich, dass wir als Organisation einen guten Sommer haben und dann hoffentlich ein besseres nächstes Jahr.
Fortyone: Apropos »frustrierendes Jahr«. Wie gehen die Mavericks die aktuelle Situation in der Geschäftsstelle an, wie geht ihr als Spieler damit um?
Dirk: Es war schon schwer, zu sehen, dass eine solche Situation so lange bei uns im Mavs-Office passieren konnte. Das ist sehr schade, sehr frustrierend. Ich glaube, dass die Organisation jetzt alles dransetzt, das besser zu machen. Wir haben viele neue Leute eingestellt, die die Kultur im Mavs-Office verbessern sollen. Wir haben eine neue Human Ressource-Leitung, wir haben eine neue CEO. Wir führen eine sehr umfangreiche Untersuchung durch, bei der alle Angestellten befragt werden, um herauszubekommen, was wirklich geschehen ist. Was man hätte besser machen können. Wir versuchen, fortan mit gutem Beispiel voran zu gehen und wirklich alles aufzuklären, damit so etwas im Mavs-Office nie mehr passiert. Da muss man durch Prozesse durch, die nicht nett sind und die weh tun, aber die das Beste für die Organisation sind. Ich hoffe, dass die Mavericks danach in einer besseren Situation sind.
Fortyone: Wie fühlt es sich für einen erfahrenen Spieler wie dich an, wenn in der Crunchtime die jungen Spieler spielen? Wenn klar ist, dass die Entwicklung der jungen Spieler der Schwerpunkt der Saison ist? Wie gehst du damit um?
Dirk: Es ist mir in den letzten Jahren immer klar gewesen, dass wir den Weg der Jugend gehen werden. Dass der Weg nach oben über die Jugend führt. Und wir haben ein paar sehr interessante junge Leute. Harrison Barnes ist in seinem zweiten Jahr bei uns. Dennis Smith Jr. hat in seinem ersten Jahr ein unglaubliches Potenzial gezeigt. Seth Curry war ja leider die gesamte Saison verletzt und Dorian Finney-Smith hatte auch mit Verletzungen zu tun. Aber jetzt spielt er wieder. Yogi Ferrell hat sich in seinem zweiten Jahr bei uns gut entwickelt, und Dwight Powell spielt eine tolle Saison. Wir haben also viel Talent und Potenzial, und natürlich müssen die jungen Leute spielen. Du kannst noch so viel trainieren, das meiste lernst du einfach in der Spielsituation. Du musst die Erfahrungen selber machen. Dass man dabei manchmal auch Spiele verliert, ist völlig normal. Daraus lernen die Jungs und werden besser. Und dann hoffen wir, dass wir nächstes Jahr besser anfangen. Und dann schauen wir mal, wie das nächste Jahr läuft.
Fortyone: Kannst du dich an die Zeit erinnern, als du genau in dieser Situation warst? Du hattest zum Ende deiner Rookie-Saison ja ein paar Spiele, in denen man deutlich sehen konnte, dass du tatsächlich auf diesem Niveau mitspielen kannst.
Dirk: Das war wahnsinnig wichtig für mein Selbstvertrauen. Ich war ein junger Spieler. Es lief nicht so im ersten Jahr, und da kommt man natürlich ein bisschen ins Zweifeln: War das die richtige Entscheidung? Soll ich nach Europa zurückgehen? Aber zum Ende meines ersten Jahres hatten wir keine Playoff-Chance mehr, und der Coach hat gesagt: »Hey, ab jetzt spielst du wieder in der ersten Fünf, du kriegst deine Zeit gegen die besten Spieler der Welt. Also mach das Beste draus, sammle deine Erfahrungen und verbessere dich.« Und das habe ich dann auch gemacht. Ich hatte ein paar gute Spiele und das hat mir wahnsinnig geholfen. Ich konnte mit Selbstvertrauen in den Sommer gehen. 1999 habe ich die EM in Frankreich gespielt und danach dann noch Summer League. Es war ein sehr wichtiges Jahr für mich. Als ich dann im zweiten Jahr zurückkam, war alles schon viel besser. Ich fühlte mich wohler und hatte das Gefühl dazuzugehören. Das erste Jahr war schwer, aber das Ende der Saison war sehr, sehr wichtig für mich.
Fortyone: Kommen die jungen Spieler jetzt zu dir und fragen dich nach dieser Zeit? Erklärst du ihnen diese Phase, oder wissen die alle genau, wo sie stehen und worum es gerade geht?
Dirk: Die wissen das oft sehr gut. Seit dem All-Star-Break war ja klar, dass wir den jungen Spielern noch mehr Spielzeit geben würden. Die Jungs arbeiten hart. Wir trainieren zurzeit nicht so oft, aber wir spielen viel. Die Jungs sind da, sie wollen besser werden. Ich glaube, dass wir positiv in die Zukunft schauen können.
Fortyone: Wie redest du mit ihnen? Wie laufen solche Gespräche ab? Merkst du, dass die jungen Spieler deine Meinung hören wollen?
Dirk: Du kennst mich ja. Ich bin eher jemand, der mit gutem Beispiel vorangeht, anstatt große Reden zu schwingen. Aber wenn Harrison etwas wissen will, dann erkläre ich ihm natürlich, wie ich das damals erlebt habe und wie ich mich durch schwere Zeiten durchgekämpft habe. Aber wenn sie nicht fragen, ist das auch vollkommen okay. Jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen und sich da irgendwie durchkämpfen. Und wenn einer Fragen hat, bin ich natürlich da und versuche zu helfen.
Fortyone: Du hast mit ein paar Leuten über das Karriereende und die Frage »Weiterspielen oder nicht« gesprochen, unter anderem mit Steve Nash und mit Mike Modano. Was haben sie dir gesagt?
Dirk: Ja, das ist schwer! Naürlich hätte ich mir auch ohne die Gespräche denken können, dass nach der Karriere erstmal eine Leere wartet. Erst freust du dich auf das Leben danach, der Sommer ist schön, und der Druck ist weg, immer fit bleiben zu müssen. Aber wenn es dann im September, Oktober wieder mit der Saisonvorbereitung losgeht, ist da eine gewisse Leere. Steve hat erzählt, dass er fast zwei Jahre gebraucht hat, bis er richtig begriffen hat, dass er nicht mehr spielen wird. Wenn etwas dein Leben so bestimmt hat wie bei uns der Basketball, ist es schwer. Auf einmal ist es weg. Das wird eine Umstellung, aber da muss man irgendwie durch. Jede professionelle Sportlerkarriere ist irgendwann einmal zu Ende. Ich versuche, ganz im Moment zu bleiben und ich genieße, dass ich das alles noch machen kann. Obwohl man eigentlich versucht, nicht zu viel darüber nachzudenken, bereite ich mich mental natürlich darauf vor. Ich habe im Hinterkopf, dass es bald vorbei sein wird.
Fortyone: Merkst du denn jetzt schon, dass das Leben jenseits der Halle das Kommando übernimmt? Die Prioritäten haben sich doch bestimmt jetzt schon sehr verschoben, oder?
Dirk: Ja, klar. Ich bin verheiratet, und mit den Kindern ist natürlich viel mehr los als früher. In meinen Zwanzigern habe ich nur zu Hause gesessen und ans nächste Spiel gedacht. Ich habe Basketball gelebt, auch außerhalb des Spielfelds war alles nur auf Basketball ausgerichtet. Mittlerweile ist da die Familie. Aber ich spiele noch immer sehr, sehr gerne Basketball. Ich mag Basketball noch sehr. Aber außerhalb des Spielfelds steht die Familie im Vordergrund, und das macht mir Riesenspaß. Ich freue mich tatsächlich sehr auf die Zeit, wenn ich mehr mehr Zeit für die Familie habe. Die Familie muss schon oft zurückstecken, wenn man noch spielt. »Der Papa ist ganz schön viel unterwegs.«
Fortyone: Kannst du beschreiben, warum du noch spielst? Was ist das Faszinosum? Was lässt dich weiterspielen?
Dirk: Im Vordergrund steht der Spaß: der Spaß am Spiel, der Spaß am Wettbewerb. Wenn der nicht mehr da wäre, müsste ich aufhören. Aber es macht mir immer noch Spaß, zu versuchen, der Mannschaft zu helfen und Spiele zu gewinnen. Meine Erfahrungen einzubringen. Mich durchzusetzen gegen Jungs, die zwanzig Jahre jünger sind! Das macht mir Spaß, der Wettbewerbswille ist immer noch da. Wobei natürlich das ganze Drumherum tatsächlich schwerer wird. Die Trainingseinheiten. Im Sommer, wenn wir reisen, immer irgendwelche Fitnessstudios suchen zu müssen. Solche Sachen. Es fällt mir nicht mehr so leicht. Aber ich glaube trotzdem, dass ich das noch ein Jahr machen werde. Ich habe ja letztes Jahr für zwei Jahre unterschrieben und ich würde gerne nächstes Jahr spielen. Ich werde mich nach der Saison noch einmal mit der Familie zusammensetzen, und dann werden wir eine Entscheidung treffen. Aber ich gehe fest davon aus, dass ich nächstes Jahr noch einmal spielen werde.
Fortyone: Dein Teamkollege Wes Matthews hat erklärt, dass er gar nicht Basketball spielen könne, ohne gewinnen zu wollen. Schließlich habe ihn das ja dorthin gebracht, wo er jetzt ist: immer mit voller Kraft daran arbeiten, das nächste Spiel zu gewinnen. Wie geht jemand, der sein ganzes Leben lang kompetitiv gedacht hat, damit um, dass Siege momentan nicht die Regel sind?
Dirk: Wir versuchen, den Druck aufrecht zu erhalten. Wir bereiten uns genauso akribisch auf jedes Spiel vor, mit Film und Trainings und Shootarounds. Wir versuchen, uns weiter durchzukämpfen und weiterhin gut zu spielen. Das ist extrem wichtig für die Kultur eines Teams. Wir wollen den Jungs zeigen, was wir für ein Club waren und sind, dass wir weiterhin kämpfen und alles geben. Wir wollen ihnen zeigen, dass wir hier all die Jahre eine Winning Culture hatten. Und sie auch weiterhin haben werden.
Fortyone: Kannst du dir vorstellen, dass das Gefühl, gewinnen zu wollen, jemals verschwindet?
Dirk: Als Athleten sind wir ja darauf gedrillt, diesen Wettbewerbswillen zu haben. Ich habe mit vier oder fünf Jahren mit Tennis angefangen. Ich spiele jetzt also seit fast fünfunddreißig Jahren und versuche zu gewinnen. Auch wenn die Karriere vorbei ist, wird das niemals weggehn, denke ich. Deswegen versuchen ja viele Athleten, nach ihrer Karriere irgendwo anders einen Kick zu finden. Ich werde dann wahrscheinlich versuchen, meine Frau im Tennis zu schlagen. Der Wettbewerbswille wird bei uns immer da sein.