FORTYONE: Erste Frage: Guckst du zur Zeit Handball?
NOWITZKI: Ich habe bisher leider noch kein Spiel der WM live sehen können, aber ich habe natürlich die Euphorie verfolgt. In Berlin war die Hölle los, und ich habe gerade auch die Highlights vom Spiel in Köln gesehen, volle Halle und tolle Stimmung. Handball ist echt eine fantastische Sportart, super attraktiv, und die Menschen gehen mit. Das war damals auch so, als wir im eigenen Land Weltmeister geworden sind. Das reißt die Leute mit.
Wie ist das denn für dich, wenn du Handball guckst? Das Spiel war vor Basketball deine erste Sportart. Denkst du manchmal, es wäre gut gewesen, wenn du weitergespielt hättest?
Diese Zeiten sind vorbei. Klar hat mir das damals Spaß gemacht, und Handball ist eine tolle Sportart. Durch den schnellen Anstoß fallen wieder viel mehr Tore. Eine Zeit lang waren die Spiele sehr physisch und gingen auch mal 18:16 aus. Jetzt ist das Spiel attraktiver und offensiver geworden, nicht mehr ganz so physisch. Es macht mir echt Spaß, zuzuschauen.
Apropos Physis: Wenn du zuguckst, was denkst du dann über die Intensität des Spiels? Mich beeindruckt das immer ziemlich.
Das sind schon ganz schöne Tiere da am Kreis, Junge, Junge. Wie es da zur Sache geht! Ich hätte wahrscheinlich eher im Rückraum gespielt, wie früher Volker Zerbe mit seinen 2,11 m, oder wie Alexander Tutschkin früher bei TUSEM Essen, Linkshänder. Schön aus dem Rückraum hätte ich die Dinger geschossen, denn da am Kreis geht es echt übel zur Sache.
Du hast mal gesagt, dass du anfangs nur einbeinig springen konntest, weil du das vom Handball so kanntest. Erinnert sich dein Körper noch, wie man Handball spielt, oder hast du damit komplett aufgehört?
Wir waren mal im Sommer in einer Halle, in der ein paar Handbälle herumlagen, und ich habe versucht, ein bisschen zu werfen. Aber da kommt aus der Schulter überhaupt keine Power mehr raus. Ich hatte früher einen für mein Alter recht harten und guten Wurf, aber ich habe seit 20, 25 Jahren nicht mehr richtig Handball gespielt. Jetzt sah mein Wurf wahnsinnig langsam aus. Aber damals war ich natürlich groß und konnte über die Verteidiger hinwegwerfen. Ich glaube, dass Handball unheimlich gut für meine Bein- und Fußarbeit war, für Mann-gegen-Mann-Bewegungen. Das hat mir später beim Basketball wahnsinnig geholfen.
Handball war auch immer ein verbindendes Element mit deinem Vater, der sogar mal dein Trainer war. Redest du jetzt noch mit ihm darüber? Guckt er sich die Spiele gerne an?
Ja, ich glaube, dass ihm das jetzt wieder Spaß macht, mit mehr Toren und weniger Fouls. Heute guckt er natürlich auch viel Basketball, aber im Herzen ist er natürlich noch Handballer.
Kommen wir zu deiner Gesundheit: In welchem Zustand ist denn dein Knöchel, wie fühlt er sich an?
Dem Knöchel geht es ganz okay. Das Problem ist einfach, dass ich mit der entzündeten Sehne sechs, sieben Wochen aussetzen musste und nur ein bisschen Radfahren konnte. Danach musste ich praktisch bei Null anfangen. Es war schwer, mich wieder heran zu kämpfen. Ich spiele jetzt schon wieder seit über einem Monat, und erst jetzt fühle ich mich so langsam wieder besser, auch mit der Puste. Auch die Beine werden wieder stärker. Wie gesagt, der Fuß macht mir keine Probleme mehr, aber ich muss mich trotzdem noch rankämpfen. Es geht auf jeden Fall aufwärts.
Merkst du denn, wie sich das Körpergefühl unterscheidet im Vergleich zur selben Phase der letzten Saison? Fühlst du einen Unterschied? Oder ist es ganz ähnlich?
Ich habe im Sommer sehr viel Arbeit investiert, erst die Reha, dann bin ich ab Juni auf dem Laufband gelaufen. Anfang September habe ich schon mit den Jungs gezockt, und das ist alles verloren gegangen durch die sechs, sieben Wochen, die ich Pause machen musste. Ohne die Pause wäre ich natürlich schon viel weiter – körperlich und auch spielerisch. Das ist nicht leicht, aber man kann jetzt nicht zurückblicken und sich ärgern, sondern muss positiv nach vorne schauen. Klar, jetzt ist fast schon die Hälfte der Saison um, aber es sind noch weit über 30 Spiele, in denen ich mich noch weiter nach vorne kämpfen kann. Und dann schauen wir mal, was am Ende der Saison dabei herauskommt.
Solche Spiele wie Anfang des Monats in Boston – wie fühlt sich das an? Du kriegst Applaus – aus Respekt, und nicht weil du 30 Punkte gemacht hast. Findest du das gut oder bist du eher frustriert, weil du eigentlich schon weiter sein wolltest?
Nee, das ist schon schön. Es ist schön zu wissen, dass die Fans auch auswärts Respekt zeigen, dass man da angefeuert wird. Frustriert war ich eigentlich nur, dass ich in Boston keinen Wurf getroffen habe. Nicht mal einen – ich brauchte ja nur einen, um an Kobe vorbeizuziehen. Es war aber trotzdem ein emotionaler Abend. Ich werde nie vergessen, dass ich Standing Ovations in der gegnerischen Halle bekommen habe. Das passiert nicht so oft. Das war eine tolle Erfahrung, sehr emotional. Und in Indy vor ein paar Tagen war es genauso. Das ist eine schwere Situation – die ganze Halle will, dass du einen reinschmeißt, und dann forcierst du es ein bisschen. Es ist gar nicht so leicht, auf Kommando einen reinzuwerfen. Aber es ist schon toll zu sehen, dass man respektiert wird für die letzten zwei Jahrzehnte, für das, was man für die Mavericks und für den Sport geleistet hat. Das ist schön zu wissen.
Wenn du dann zum Beispiel das letzte Mal in der alten Oracle Arena spielen wirst, wirst du dann melancholisch, wenn du durch die Katakomben läufst? Gehst du dann an dem berühmten Loch vorbei, das du da 2007 in die Wand gehauen hast?
Ich glaube, wir spielen die Warriors Ende März nochmal in Oracle. Klar schaue ich mir das Loch immer an. Es erinnert natürlich an eine bittere Phase meiner Karriere. Das ist keine schöne Erinnerung, aber trotzdem eine wichtige Erfahrung, weil ich glaube, dass es mich zu einem besseren Spieler, einer besseren Person gemacht hat. Dass es mich dazu gebracht hat, 2011 ein besserer Closer zu sein. In den entscheidenden Momenten war ich dann immer da. Aus solchen Niederlagen habe ich immer viel Motivation gezogen, aus der Finalniederlage 2006 und auch aus 2007, meinem MVP-Jahr, als wir in der ersten Runde verloren haben. Vielleicht wäre ich nie der Spieler geworden, der ich bin, wenn ich nicht durch diese Tiefs gemusst hätte. Also, das Loch ist zugleich eine schöne und eine schlimme Erinnerung. Aber ich habe schon gehört, dass die Warriors überlegen, das Loch in ihre neue Halle in San Francisco mitzunehmen – für die war das damals natürlich eine tolle Geschichte mit ihrer BELIEVE-Mannschaft. Ich konzentriere mich aber im Moment sehr auf die Spiele, auf das, was ich dafür tun muss. Mit 40 muss ich fast zwei Stunden vor dem Spiel damit verbringen, irgendwie die Knochen und die Muskeln in Gang zu kriegen, da habe ich keine Zeit, viel nachzudenken. Aber wenn es dann irgendwann wirklich vorbei ist, werde ich diese Dinge nochmal Revue passieren lassen.
Kommen wir zum Team. Ich würde mich gerne nach J.J. Barea erkundigen – was seine Verletzung für euch heißt, was sie für eine Bedeutung für dich hat.
Das war ganz bitter. Wir haben ja in diesem Jahr auswärts nicht viele Siege geholt, aber an dem Abend haben wir in Minnesota gewonnen. Nach dem Spiel kamen wir in die Umkleide und haben die schlechten Nachrichten erhalten. Wir saßen dann alle im Training Room bei J.J., die ganze Mannschaft. Wir haben überhaupt kein Meeting mit dem Coach mehr gemacht, es herrschte Totenstille. J.J. war natürlich am Boden zerstört, hat mit seiner Familie gesprochen, hat ein paar Tränen vergossen. Das war natürlich übel. Ich kenne J.J. jetzt schon sehr lange. Er ist ein absoluter Warrior für uns, und dass er da jetzt mit 34 durch muss, ist verdammt bitter. Aber er ist ein absoluter Fighter, und ich hoffe, dass er sich wieder zurückkämpft. Die ganze Mannschaft war am Boden zerstört. J.J. hat eine tolle Saison gespielt von der Bank. Das tut weh. Letzte Woche ist er operiert worden, aber vorgestern war er vorm Spiel kurz da. Er läuft schon wieder ganz gut und sieht das Ganze jetzt schon wieder eher positiv. Aber an diesem Abend war er natürlich total am Boden zerstört.
Was heißt das denn für das Team insgesamt? Er hat die Bank angeführt, aber was heißt das für die Zukunft? Was denkst du?
Wir werden ihn vermissen. Er war für uns Instant Offense von der Bank. Wenn er reinkam, hat er wie ein Wirbelwind da herumgemacht, Pick’n’Roll gespielt, entweder auf seinen eigenen Abschluss geschaut oder den besser postierten Mann gesehen. Aber im Sport gehören Verletzungen dazu. Da muss die Mannschaft durch. Jalen Brunson spielt super solide, mit ihm haben wir in der zweiten Draftrunde wirklich Glück gehabt. Er hat ja vier Jahre College gespielt, der macht keine Fehler. Ein richtig guter Mann. Der wird jetzt natürlich mehr Spielzeit bekommen. Dennis Smith ist jetzt auch wieder da. Das war natürlich eine seltsame Situation für die Mannschaft, aber wir freuen uns, dass er zurück ist. Er hat auch gleich gut gespielt, und ich hoffe, dass das Drama damit vorbei ist. Und Luka Doncič spielt mittlerweile auch viel Point Guard. Er ist groß, er hat ein sehr gutes Auge, er kann oft über die Verteidiger passen und gute Entscheidungen treffen. Irgendwie werden wir das als Mannschaft auffangen können. Aber trotzdem fehlt J.J. natürlich. Er ist einer unserer Motoren, einer, der uns immer antreibt, ein emotionaler Anführer. Einer, der in der Umkleide immer Spaß macht, auf Busfahrten und im Flieger. J.J. ist eine herausragende Persönlichkeit, ein super Charakter, immer witzig. Das tut schon weh.
Wie viel Freude empfindest du jetzt, wenn du auf dem Feld stehst und es läuft? Merkst du, dass das alte, gute Gefühl zurückkommt?
Ich versuche einfach, Spaß zu haben. Ich weiß nicht, ob danach noch ein Jahr kommt. Ich versuche einfach, diese Wochen und Monate zu genießen. Ob es jetzt die Auswärtsfahrten sind oder die Meetings mit dem Team, die Stimmung nach Siegen in der Umkleide: Ich versuche, alles noch mal richtig aufzusaugen. Klar ist es manchmal etwas frustrierend, wenn der Kopf etwas sieht, aber der Körper kommt nicht ganz hinterher. Oder du willst einen Move machen und der geht nicht ganz. Aber ich versuche trotzdem, positiv zu bleiben und an den Trainingstagen – nicht an Spieltagen – hart zu arbeiten, damit ich bis zum Ende der Saison noch einen Schritt schneller werde. Damit ich einfach noch mehr Spaß haben kann.