»Nicht nur der eine Weg führt zum Erfolg«

Mehr als 15 Jahre Weltspitze – wie geht das? Dies und vieles mehr verrät Timo Boll im Gespräch mit Silke Mayer

»Mein Interviewpartner in dieser Podcast-Folge ist der erfolgreichste deutsche Tischtennisspieler aller Zeiten: Timo Boll. Er gehört seit mehr als 15 Jahren zur absoluten Weltspitze.

Timo kam gerade von seinen sechsten Olympischen Spielen aus Japan mit der Silbermedaille im Teamwettbewerb zurück. Er hat in seiner Karriere eine Vielzahl von internationalen Meistertiteln gewonnen und gilt als einer der klügsten Taktiker dieses Sports.«

Layout-Teiler

Silke Mayer: Hallo Timo, vielen Dank, dass Du Dir heute Zeit nimmst für das Gespräch. Glückwunsch zur Silbermedaille im Teamwettbewerb bei den Olympischen Spielen in Japan! Wie ist Dein persönliches Fazit dieser Olympiade?

Timo Boll: Es war ein Auf und Ab. Ich habe mir für das Einzel viel vorgenommen. Mir fehlt noch die Einzel-Olympiamedaille, und die wollte ich unbedingt gewinnen. Dann gab es schon den ersten Nackenschlag mit der Auslosung. Ich habe da harte Gegner bekommen. Im Viertelfinale hätte schon der Top-chinesische Spieler gewartet, gegen den ich vorher noch nie gewonnen hatte. Da war die Laune natürlich erstmal unten. Aber ich habe mein Bestes gegeben. Im Achtelfinale habe ich gegen einen Koreaner gespielt, gegen den ich mich schon immer schwergetan habe. Ich habe mich nicht schlecht gefühlt in der Matchvorbereitung, aber an diesem Tag war er einfach besser. Egal wie groß der Wille und Ehrgeiz ist, das muss man dann auch akzeptieren. Ich kann das ganz gut einschätzen und die Niederlage auch abhaken. Danach ging es sofort wieder weiter mit dem Mannschaftswettbewerb. Da bin ich happy. Ich habe meine Leistung gebracht und habe die entscheidenden Spiele alle gewonnen. Im Finale war China bärenstark. Sie haben die Nummer eins, zwei und drei der Weltrangliste in ihrem Team. Wir haben es leider nicht geschafft, im Finale zu gewinnen, sind aber trotzdem happy mit der Silbermedaille und haben Werbung für unseren Sport gemacht.

»Egal wieviel Talent man hat, man muss es ja irgendwie herauskitzeln.«

Du bist in China der populärste Deutsche und hast unzählige Meistertitel gewonnen. Was hat Dir geholfen auf Deinem Weg zum Erfolg?

Am wichtigsten war mein Umfeld. Ich war einfach ein Kind, das Spaß hatte an Ballsportarten. Meine Eltern haben viel Zeit geopfert, um mich überallhin zu fahren. Sie haben mir nie Druck gemacht, sondern mich alles machen lassen. Wenn ich auf irgendetwas Lust hatte, dann haben sie die Zeit dafür investiert. Mit 8 Jahren hatte ich dann schon einen richtig guten Trainer im Tischtennis, Helmut Hampl, der mich bis zum Alter von 26 Jahren begleitet hat. Er hat alles für mich gemacht und ist überall für mich hingefahren. Er ist fast sowas wie ein Ersatz-Papa für mich geworden in der Zeit. Ohne das Engagement meiner Eltern und meines Trainers wäre mein Weg nicht so weit gegangen. Egal wieviel Talent man hat, man muss es ja irgendwie herauskitzeln.

Du bist seit über 15 Jahren an der Weltspitze. Wie schaffst Du es, Dich immer wieder zu motivieren?

Wir haben im Tischtennis nie lange Trainingspausen. Wenn ich im Sommer mal zwei Wochen kein Tischtennis hatte, dann war das lange. Bis ich 31 oder 32 Jahre alt war, gab es keinen einzigen Tag komplett ohne Sport. Ich weiß nicht, ob das Besessenheit war 🙂 Selbst an einem Reisetag, wenn ich z.B. abends um 21 Uhr in Tokio angekommen bin, bin ich nochmal laufen gegangen. Es war so eine Routine, dass ich mich schlecht gefühlt habe, wenn ich nichts gemacht habe. Auch im Urlaub musste ich jeden Tag ein Krafttraining oder eine Lauf- und Radeinheit machen. Der Antrieb war schon immer in mir und das hat mich gut fit gehalten. Dadurch bin ich nie eingerostet. Mittlerweile schaffe ich das nicht mehr. Da brauche ich schon mal meine Auszeiten, alleine schon für den Kopf. Diese Routinen sind unglaublich wichtig. Motivationsprobleme hatte ich sowieso nie. Ich sehe Tischtennis immer noch als mein Hobby und habe weiterhin Spaß. Wir haben eine super Mannschaft, wie eine kleine Familie. Der größte Kampf ist es, dass ich mich körperlich fit bekomme für die Spiele, und im Hinterkopf zu haben, dass es nicht zu extrem sein darf. Ich will ja später auch noch aktiv sein und meinen Körper nicht komplett zerstören. Das ist aktuell meine größte Sorge: dass ich den Raubbau am eigenen Körper zu weit treibe.

Welche Themen außerhalb vom Tischtennis interessieren Dich?

Ich bin nerdig in allem, was ich tue. Ich tauche tief in die Materie ein, egal bei welchem Thema. Für mein Webcoach-Projekt musste ich mich kameratechnisch weiterbilden, da habe ich großen Spaß daran. Ich habe von klein auf immer viel mit Technik zu tun gehabt und mein ganzes Erspartes früher in Technik investiert. Wir haben auch seit einem halben Jahr einen neuen Hund. Unser alter Hund ist nach 16 Jahren von uns gegangen. Das war ein harter Schnitt, von einem ruhigen alten Hund und jetzt haben wir einen Welpen, der viel Action macht. Man bekommt viel zurück von einem Hund und kommt raus in die Natur. Ich bin auch ein alter Camper. Als Hallensportler genieße ich die Natur dann auch immer sehr.

Welchen Tipp würdest Du jungen Menschen im Sport gerne weitergeben?

Ich habe über die Jahre gesehen, dass nicht nur der eine Weg zum Erfolg führt. Man kann sehr individuell vorgehen und muss sich auch anpassen, an den einzelnen Menschen und auch an die Zeit. Alles verändert sich, so auch unsere Sportarten. Wenn Du heute spielst wie vor 25 Jahren, hast Du nichts mehr zu tun mit der Weltspitze. Man muss sich immer weiterentwickeln. Als Trainer kann man nicht mehr denken: »So wie ich das mal gelernt habe, funktioniert das heutzutage noch«, sondern man muss immer selbst reflektieren und analysieren, was wirklich zum Erfolg führt. Es ist heutzutage sehr wichtig, mit dem einzelnen Menschen oder Jugendlichen sehr individuell umzugehen.

Das Gespräch in voller Länge

Wenn Du wissen willst, wie Timo durch seine Werte den Tischtennissport nachhaltig verändert hat, dann höre Dir hier das gesamte Gespräch als Podcast an.

Unser Anliegen im 41Campus ist es, die persönliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in Sportteams wertebewusst zu begleiten. Deshalb wollen wir vor allem Trainer und Trainerinnen in ihrer Vorbild- und Mentorenfunktion stärken. In unserem Podcast spreche ich mit erfolgreichen Menschen im Sport über werteorientiertes Leadership.

Layout-Teiler

Foto © Timo Boll

Timo Boll ist der erfolgreichste deutsche Tischtennisspieler. Zeitweise war er die Nr. 1 der ITTF-Weltrangliste. Er nahm an sechs Olympischen Spielen teil und spielt seit 2006 für den deutschen Rekordmeister Borussia Düsseldorf in der Tischtennis-Bundesliga. Er ist Linkshänder und spielt mit der Shakehand-Schlägerhaltung.

___ von Silke Mayer.