Werteorientiertes Leadership – Ein 41Campus-Podcast

Norbert Elgert gilt als einer der erfolgreichsten Jugendtrainer im Fußball. Wie sich sportlicher Erfolg und Werte vereinbaren lassen, verrät er im Gespräch mit Silke Mayer.

Unser Anliegen im 41Campus ist es, die persönliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in Sportteams wertebewusst zu begleiten. Deshalb wollen wir vor allem Trainer und Trainerinnen in ihrer Vorbild- und Mentorenfunktion stärken. In unserem Podcast spreche ich mit erfolgreichen Menschen im Sport über werteorientiertes Leadership.

Mein Interviewpartner in dieser Podcast-Folge ist Norbert Elgert, einer der erfolgreichsten Nachwuchstrainer im Fußball bei FC Schalke 04. Sein Anliegen ist es, nicht nur Profis im Fußball, sondern auch Profis fürs Leben auszubilden. Er verrät uns im Gespräch seine werteorientierten Erfolgsstrategien in der Arbeit mit den Nachwuchsfußballern.

Silke Mayer: Herr Elgert, vielen Dank, dass Sie für dieses Gespräch zur Verfügung stehen. Ich freue mich ganz besonders, mit ihnen heute über werteorientiertes Leadership zu sprechen, weil ich persönlich sehr inspiriert und berührt bin von ihrem Buch Gib alles – nur nie auf. Die Inhalte passen sehr gut zu unserem Anliegen im 41Campus: Kinder und Jugendliche im Sport in ihrer persönlichen Entwicklung stärken. Aus unserer Sicht ist ein zentrales Element in der Begleitung von Kindern und Jugendlichen die Haltung des Teamleiters. Wie ist ihr Rollenverständnis als Trainer?

Foto © FC Schalke 04

Norbert Elgert: Sehr komplex und vielschichtig. Ich sehe einen Trainer als eine Führungskraft wie in einer Firma. Ich sehe mich als Coach, als Lehrer, als Ausbilder, ein bisschen auch als Menschenführer. Ich vergleiche das immer ganz gerne mit einem Gärtner, der betreut junge Pflänzchen und versucht durch Wässern, durch Trimmen, durch Schneiden zum Idealwuchs zu verhelfen. Wir haben als Trainer eine unglaubliche Verantwortung, weil wir bei jungen Menschen natürlich noch großen Einfluss ausüben können. Und dieser Einfluss sollte natürlich möglichst positiv sein. Das Unterbewusstsein von jungen Menschen – meine Spieler, die ich betreue, sind zwischen 16 und 19 Jahre alt – ist noch nicht so starr, das ist noch formbar und umso verantwortungsbewusster sollten wir unsere Aufgabe natürlich angehen.

Ein Zitat aus ihrem Buch Gib alles – nur nie auf hat mich besonders aufhorchen lassen: »Wir bilden nicht nur Profis im Fußball aus, sondern auch Profis fürs Leben«. Es geht also darum, durch Wertebildung den jungen Menschen etwas fürs Leben mitzugeben. Wie schaffen Sie das ganz konkret, in diesem schwierigen Setting Leistungssport diesen bemerkenswerten Ansatz umzusetzen?

Es ist tatsächlich extrem schwer im Haifischbecken Profisport seine persönliche Integrität zu wahren. Das ist schon ein hehrer Anspruch. Es ist nicht einfach, aber ich bemühe mich sehr darum, das zu schaffen. Wenn ich von Haifischbecken spreche, meine ich damit nicht, dass sich in dieser Branche viele schlechte Menschen bewegen. Es geht um extrem viel Geld, Macht, Geltung, sehr viel Anerkennung, und da prallen natürlich immer wieder sehr unterschiedliche Interessen aufeinander. Deshalb halte ich es für sehr wichtig, dass jeder Mensch seinen eigenen persönlichen Wertekatalog hat und auch versucht, sich daran zu halten. Mit Wertekatalog meine ich, dass traditionelle Werte niemals vom Aussterben bedroht sein sollten, sie sind es aber. Und da haben wir eine große Aufgabe, dass das nicht passiert. Diese traditionellen Werte sind ja nicht veraltet, sondern immer noch modern. Werte geben dem Menschen Halt und Sicherheit.  In einer Gruppe schweißen gemeinsame Werte zusammen und stärken das WIR-Gefühl. In einer Zeit, in der das Ego extrem überhöht ist, ist das WIR-Gefühl wichtiger denn je. Werte sind ja leichter gesagt als gelebt.

Wie würden Sie ihren Führungsstil in Richtung Werteorientierung beschreiben?

Foto © FC Schalke 04

Ich würde meinen Führungsstil als situativ bezeichnen. Ich halte einen anderen Führungsstil in der heutigen Zeit kaum für praktikabel oder erfolgsführend. Wir sind ständig in anderen Situationen und anderen Lagen. Jeden Tag passiert so viel. Ich habe gut 30 Leute zu führen und die sind alle anders. Die Lebenssituationen ändern sich, jedes Training und jedes Spiel ist unterschiedlich. Deswegen führe ich eher situativ. Mal demokratisch, mal autoritär, mal laissez-faire. Das kommt immer auf die Situation an. Das Allerwichtigste ist, dass Dir »Deine Leute«, also bei mir die Spieler, für die ich verantwortlich bin, meine Kollegen, meine Mitarbeiter vertrauen. Es muss ein großes Vertrauensverhältnis da sein. Nur dann können wir auch einfordern. Mit Angst kann man nicht erfolgreich führen. Durch Angst kannst Du zwar gute Ergebnisse erzielen, aber keine herausragenden. Es ist für mich wichtig, dass wir eine sehr straffe und herausfordernde Trainingsatmosphäre haben, aber in der man sich auch wohl fühlen kann. Druck haben meine Jungs also nur insofern, dass ich erwarte, dass sie jeden Tag ihr Aller-aller-allerbestes geben. Und das natürlich mit Spaß, Freude und Begeisterung. Das heißt für mich dann auch Erfolg. Erfolg heißt nicht immer gewinnen. Das Resultat steht für uns nicht immer im Mittelpunkt. Natürlich will man gewinnen, wir sind Wettkämpfer und wollen Meister werden, aber wir fokussieren uns stärker auf den Entwicklungs- und Ausbildungsprozess. Und das heißt jeden Tag besser werden, heute besser als gestern und morgen besser als heute. Meine Spieler haben alle große individuelle Ziele, wir haben Teamziele, der Arbeitgeber hat große Ziele. Daraus entsteht, dass wir intensiv und hart arbeiten. Alles andere ist aus meiner Sicht auch nicht zielführend.

Wenn ich mir klar über meine Werte bin, bleibt die Frage, wie setze ich das in der Arbeit mit meinem Team um? Es geht mir ja um Wertebildung und nicht darum, meine Werte dem Team überzustülpen. Wie kann ich mit dem Team einen gemeinsamen Wertekompass entwickeln?

Das ist eine gute Frage. Da bin ich auch darauf vorbereitet über viele Jahrzehnte J  Gerade wenn man Teams führt, müssen wir zwei Dinge gewährleisten: Erstens möchte jeder von uns als Individualität, als Einmaligkeit anerkannt werden und seine Stärken ausleben, und zweitens möchte natürlich auch jeder Teil einer gemeinsamen größeren Sache sein. Gerade wir Trainer im Fußball müssen jeden Tag Zeit haben, aber in der Praxis ist das nicht so. Häufig kommen unsere Jungs mit dem Fahrdienst zum Training und sind anschließend gleich wieder weg. Dann kannst Du nicht mit jedem permanent, dauernd Einzelgespräche führen. Unsere Aufmerksamkeit in kurzen Gesprächen ist natürlich wichtig, aber gerade im Trainingslager nutze ich dann immer die Gelegenheit, mit jedem Spieler ein längeres Einzelgespräch zu führen. Das hat auch was mit Wertschätzung und Interesse zu tun. Es muss aber ehrlich sein und nicht so abgearbeitet nach Schema F. Es geht um persönliche Themen wie Familie und um Fragen wie z.B. was sind Deine Ziele und Träume? Was ist für Dich wichtig in einer Mannschaft? Wo möchtest Du im Leben hin? Ich mache mir viele Notizen, auf die ich dann im Laufe der Saison immer wieder zurückgreifen kann. In jedem Trainingslager haben wir auch eine länger Teamsitzung, wo es darum geht, gemeinsame Ziele, Werte und Überzeugungen festzulegen. Ich möchte aber auch von meinen Jungs Antworten auf die Frage »Wie stellt Ihr euch unser Spiel vor?« hören. Wenn Du alles vorgibst, hast Du ja Roboter. Es ist wichtig, dass sich die Spieler auch mit den Zielen identifizieren. Es muss aus der Gruppe entstehen, damit sie auch hinter den Zielen stehen. Auch gerade in den Phasen, in denen es nicht so toll läuft – Du wirst ja nicht jedes Jahr deutscher Meister und Pokalsieger. Jede Saison ist anders. An den Zielen kann man sich festhalten. Bei der Entwicklung der gemeinsamen Werte und Überzeugungen darf sich jeder melden und nichts ist falsch, wie in einem guten Brainstorming. Da wird auch keiner ausgelacht. Gerade bei den Jugendlichen ist es ganz wichtig, dass sich alle trauen. Sie sollen IHRE Werte nennen, und dann kann daraus ein Teamcredo entwickelt werden, das schriftlich festgelegt wird. Natürlich musst Du als Trainer die Spieler in eine gewisse Richtung bringen, aber die muss beweglich sein. Du setzt als Trainer Leitplanken, sonst gibt es Chaos. Aber die Spieler müssen das Gefühl haben, das ist unseres, das haben wir gemeinsam getan. Während der Saison wiederholen wir diesen Prozess regelmäßig, wir lesen unsere Ziele und Werte vor und sprechen über die Fragen: »Wo stehen wir mit unseren Zielen? Leben wir unsere Werte?«

Das ganze Gespräch

Wenn Du wissen willst, welche Tipps und Ratschläge Norbert Elgert gerade für junge Trainer und Trainerinnen hat, dann höre Dir HIER das gesamte Gespräch als Podcast an.

Layout-Teiler

Norbert Elgert trainiert seit 1996 äußerst erfolgreich die U-19-Mannschaft des FC Schalke 04. Seine Erfolgsstrategien hat er in dem Buch Gib alles – nur nie auf!  zusammengefasst.

___ von Silke Mayer.