»Entscheidend ist das bewusste Reflektieren«

Vom »Herrn im Ring« zu Loslassen, Reflexion und Interaktion – im Gespräch mit Silke Mayer erklärt Berthold Bisselik, wie sich die Rolle des Trainers gewandelt hat.

»Mein Interviewpartner in dieser Podcast-Folge ist Berthold Bisselik. Berthold ist eine Trainer-Koryphäe in Deutschland. Er war lange Jahre Coach in den höchsten deutschen Basketballligen und im Nachwuchsbereich des Deutschen Basketball Bundes. Er beschäftigt sich vor allem mit der Nachwuchstrainerausbildung und engagiert sich bei uns im 41Campus. Ende 2020 wechselte er die Sportart und leitet nun den Bundesstützpunkt beim Deutschen Hockeybund.«

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Silke: Hallo Berthold. Danke, dass Du Dir die Zeit für unser Gespräch nimmst. Heute wollen wir vor allem über situative Lernkontextgestaltung im Training sprechen. Welches Rollenverständnis des Trainers steckt denn dahinter?

Berthold: Für mich war immer wichtig, dass ein Training gut geplant ist. Jede Übung, jeder Inhalt und jede Organisationsform. Und ich hatte auch ein klares Bild davon, wie ein gelungenes Training aussieht. Es war immer geprägt von Spielfreude, Intensität, sich Verausgaben … und es war vollkommen durchgetaktet. Ich war der Herr im Ring. Ich war derjenige, der die Entscheidungen getroffen hat. Ich habe konkrete Wege vorgegeben. Die Gesamtsteuerung lag bei mir. Natürlich habe ich Stimmungen aufgenommen und Anpassungen gemacht. Heute würde ich das viel offener gestalten. Ich würde viel mehr Rücksicht auf die Stimmung der Athleten nehmen und auf das eingehen, was passiert. Sowohl inhaltlich – also technisch und taktisch –, aber auch stimmungsmäßig. Und mich selber viel mehr zurücknehmen. Gerade ist es ja total hipp zu sagen, »der Athlet steht im Mittelpunkt«. Da habe ich mich gefragt, ist das wirklich so? Steht nicht das Spiel im Mittelpunkt? Wir kommen aus der Trainerzentrierung und sind gerade auf dem Weg zu mehr Athletenzentrierung. Das finde ich gut. Ich glaube, dass es wichtig ist, eine Balance zu haben. Meine Bedürfnisse zu berücksichtigen, die Spielerbedürfnisse zu berücksichtigen und das Spiel wahrzunehmen. Wenn ich zurückdenke, hat mir das Spiel an sich das gegeben, warum ich Sport gemacht habe.

Für mich beinhaltet situative Lernkontextgestaltung eine andere Art der Führung für die Trainer. Welche Voraussetzungen braucht es dafür?

Der entscheidende Schritt für mich ist das bewusste Reflektieren. Ich habe früher immer Training nachbereitet, mich dabei aber viel auf die Inhalte konzentriert: Welche Übungen und Drills haben funktioniert? Wie war das Ergebnis? Ich habe wenig darüber nachgedacht, wie eigentlich die Interaktion war. Wie ist es mir eigentlich gegangen? Ich habe nicht darüber nachgedacht, was eigentlich passiert ist. Mit welcher Haltung bin ich reingegangen? Wenn ich an meine Bundesligazeit zurückdenke, da haben wir mit unserem Trainerstab zum Teil anderthalb bis zwei Stunden Training vorbereitet. Das war aber 90 Minuten ein Austausch über Inhalt. Wie gestalten wir das Training inhaltlich? Was wollen wir korrigieren? Und heute würde ich viel mehr darauf eingehen: wie mache ich mich leer? Wie schaffe ich eine Haltung, in der ich komplett offen und neugierig bin und nicht mit einem Fokus reingehe: »das Training muss so und so funktionieren, damit ich zufrieden bin«. Ich bin derjenige, der den Prozess leiten und begleiten kann, aber ich weiß nicht, was rauskommt. Es ist wichtig, Reflektieren zu lernen, einmal sich selbst und nach Fremdreflexion zu suchen, von der Mannschaft und auch von extern. Bereit sein, Feedback aufzunehmen und viel mehr in Reflexionsprozesse zu gehen.

Die neue Leadership-Rolle hat viel mit Loslassen von einem festen Plan zu tun. Welche Ziele kann ich mir trotzdem setzen und wie verändert sich meine Trainingsplanung? Welchen Mehrwert haben ich und mein Team davon?

Wenn ich möchte, dass die Spieler selbständig Entscheidungen treffen, wenn ich will, dass die Spieler zu Mitgestaltern werden, wenn ich will, dass Bindung und Zugehörigkeit entstehen, wenn ich will, dass Spieler sich selbstwirksam erleben, dann ist diese Art zu Führen wesentlich effektiver und wertvoller. Es ist viel mehr Lernmöglichkeit gegeben und die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln ist größer. Die Spieler lernen nicht nur das zu tun, was ich ihnen sage, sondern sie merken, dass sie einen Raum haben, den sie mitgestalten können und wo sie frei sein können. Ich nehme die anderen mit auf den gemeinsamen Weg und das ist für alle würdevoller.

Das Gespräch in voller Länge

Wenn Du wissen willst, welche Wirkung Mitbestimmung für das Team hat, dann höre Dir hier das gesamte Gespräch als Podcast an.

Unser Anliegen im 41Campus ist es, die persönliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in Sportteams wertebewusst zu begleiten. Deshalb wollen wir vor allem Trainer und Trainerinnen in ihrer Vorbild- und Mentorenfunktion stärken. In unserem Podcast spreche ich mit erfolgreichen Menschen im Sport über werteorientiertes Leadership.

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Bei der GameChanger-Ausbildung des 41Campus (c) Dirk Nowitzki-Stiftung

Berthold Bisselik begleitet Trainer, Teams und Standorte in ihrer Entwicklung. Er reflektiert mit den Beteiligten die Wirksamkeit ihrer Arbeit sowie ihre Haltung und Werte im Miteinander. Er unterstützt als Mentor, Modulexperte und Referent die Trainerbildung auch sportartübergeifend in den Ligen, Spitzen- und Landesverbänden. Bis 2019 war er Cheftrainer Nachwuchs, Sportlicher Leiter, Spieler- und Trainerentwicklung beim FC Bayern München Basketball. Seit 2020 ist er Bundesstützpunktleiter Hockey am Olympiastützpunkt Rhein-Neckar in Mannheim.

___ von Silke Mayer.