»So viele neue Menschen!«

Bei BasKIDball lernt man fürs Leben – und vielleicht sogar für die Basketball-Bundesliga. Nachwuchstalent Lara Rohkohl erzählt FORTYONE ihre Geschichte – und welche Rolle BasKIDball dabei spielt.

Die 18-jährige Lara Rohkohl stammt aus einer echten Basketballfamilie. Laras Eltern lernten sich beim Uni-Sport in Hannover kennen und haben es bis in die Oberliga geschafft, ihre jüngere Schwester Maja spielt ebenfalls Basketball. Und Lara selbst ist seit dieser Saison Teil der Damen-Erstligamannschaft des TK Hannover. Eine solche Ausgangslage lässt den linienüberzogenen Linoleumboden der Sporthalle schon mal zum Wohnzimmer werden.

Lara spielt auf der Power Forward- und Center-Position und erzielte in der Saison 2019/20, ihrer letzten Spielzeit in der weiblichen Nachwuchs-Basketball-Bundesliga (WNBL), mehr als zehn Punkte und zehn Rebounds pro Spiel. In Braunschweig, für deren WNBL-Team sie aktiv war, las man immer wieder: »Lara macht ihr obligatorisches Double-Double«. Vor allem das Rebounding, bei dem ihre Instinkte zur Geltung kommen, sowie ihre Athletik zeichnen Lara aus. Diese Stärken haben sie auch schon zur Nationalmannschaft geführt: Sie schaffte es in die U15-Auswahl, im November 2019 wurde sie zu einem Trainingslager der U18-Nationalmannschaft eingeladen.

Stolz ist Lara auch darauf, es in den Erstligakader Hannovers geschafft zu haben. Spielen dort doch für gewöhnlich keine einheimischen Spielerinnen, die aus der eigenen Jugend hochkommen, wie Lara erklärt. Mittlerweile trainiert Lara täglich mit der Bundesligamannschaft. Ihre ersten Schritte im organisierten Basketball hat sie 2010 beim CVJM in Hannover gemacht, in einer U10- und U12-Bezirksliga-Mannschaft. Und von 2016 bis 2018 war sie regelmäßig beim Training des BasKIDball-Standorts in Hannover Roderbruch. Ihr dortiger Betreuer ist Cheick N’Diaye, der Lara schon länger kannte – er hat früher Laras Mutter trainiert.

Fundamentals – mit Spaß

BasKIDball hat in Hannover zwei Standorte: einen in Linden und einen im Roderbruch, einem von Großwohnsiedlungen geprägten Viertel in Groß-Buchholz, einem Stadtteil im Osten Hannovers. In der dortigen Integrierten Gesamtschule – der größten allgemeinbildenden Schule Niedersachsens – findet das Training statt. Hier geht auch Lara zur Schule und macht momentan ihr Abitur, mit Sport als erstem Prüfungsfach.

Das BasKIDball-Team im Roderbruch – Foto © BasKIDball

»Im Roderbruch«, erklärt Lara, »wohnen sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund«, was sich auch in den BasKIDball-Trainingseinheiten zeigt. Es sei eine bunte Mischung mit »so vielen Nationalitäten – ich kann die gar nicht alle aufzählen.« Laras langjähriger Betreuer Cheick ist Franzose mit senegalesischen Wurzeln. Er schätzt die derzeitige Trainingsgruppe im Roderbruch auf mehr als 40 Teilnehmer.

BasKIDball beschreibt Lara selbst als »Gemeinschaft«, bei der die Verbindung zwischen den Teilnehmern weit über Basketball hinausgeht. »Ob alt oder jung, und ganz egal, wo man herkommt: BasKIDball ist ein Ort, an dem alle Menschen zusammen Spaß haben können.«

Obwohl Lara schon frühzeitig organisiert in einem Basketballverein spielt, wird sie Teil der BasKIDball-Gemeinschaft – was auch an Cheick liegt. Von ihm lernt sie »Stärke«, wie Lara es umschreibt. Sie spielt vor allem gegen Jungs. Und sich als junges Mädchen gegen Jungs durchzusetzen macht stark. An Cheick schätzt Lara, wie sehr er auf die einzelnen Mädchen und Jungen eingeht. Dieses individuelle Training »geht im Vereinssport manchmal unter. Cheick geht es viel um Ballhandling, er hat mir auch Center-Moves beigebracht«, erklärt sie. Sie läuft zwar damals schon auf den großen Positionen auf, lernt aber dank Cheick noch mehr die Grundlagen des Spiels, die »Fundamentals«. So nimmt die Vereinsspielerin Lara auch beim BasKIDball-Projekt etwas für ihre sportliche Karriere mit.

Lara mit Schirmherr – Foto © privat

Im Vordergrund steht bei BasKIDball aber der Spaß – was für Lara persönlich schon immer ein guter Ausgleich war: »Der Druck ist nicht da. Wenn man Leistungssport betreibt, ist es auch mal gut, zu BasKIDball zu gehen, dort seine Freunde zu sehen und auch einfach mal herumalbern zu können.« Zudem kann jede und jeder eigene Vorschläge zu Trainingsinhalten machen, »die baut Cheick dann auch mit ein.«

Auf Grundlage des BasKIDball-Projekts, an dem er seit 2012 mitwirkt, hat Cheick N’Diaye in Hannover auch Events wie den Mitternachtsbasketball aufgebaut. Ein 3×3-Turnier, zu dem »nochmal ganz andere Leute kommen als nur zum BasKIDball-Training«, weiß Lara aus eigener Erfahrung. Denn auch als sich ihre Basketballkarriere immer weiter entwickelt, sie 2017 mit Wolfenbüttel den Titel der WNBL gewinnt, das Training im Verein immer mehr zunimmt (eigentlich würde sie aktuell auch noch in der 2. Regionalliga spielen) und es somit zeitlich schwierig wird, weiter zu BasKIDball zu gehen – bei Events wie dem Mitternachtsbasketball oder den Sommercamps ist Lara weiterhin dabei: »Es ist einfach etwas Schönes, so viele neue Menschen kennenzulernen.«

»Team!!« – Foto © BasKIDball

Durch die BasKIDball-Standorttreffen und vor allem durch die Sommercamps ist Lara in ganz Deutschland herumgekommen: »Fehmarn, Würzburg, Nürnberg, Berlin«, zählt sie auf. Auch zu Länderspielen fahren die BasKIDball-Gruppen. Während der Camps entstehen standortübergreifende Freundschaften: Als Lara im vergangenen Jahr mit ihrer Familie eine Radtour auf Fehmarn unternimmt, besucht sie ihre Freunde vom Camp auf der Ostseeinsel. In den Osterferien hatte sie Besuch von einer Freundin aus Aschaffenburg. Und als Lara ein zweiwöchiges Praktikum bei der Basketballzeitschrift BASKET absolviert, trifft sie eine Freundin aus Leverkusen. Es sind Freundschaften, die bleiben.

School-Spirit in St. Johnsbury

2018 geht Lara für ein ganzes Jahr in die USA: Das Leben an der St. Johnsbury Academy in dem gleichnamigen Städtchen im US-Bundesstaat Vermont ist anfänglich eine Umstellung, es gibt dort weder Bahn noch Busse. Auch in der Schule läuft es etwas anders: Statt zehn hat Lara nur vier Schulfächer – die aber täglich, was den Druck erhöht, abends nach dem Training auch stets die Hausaufgaben zu erledigen. Das Gute: Man kann selbst Fächer wählen, Lara entscheidet sich für Photographie und Fashion-Design.

Als einzige ausländische Schülerin der Internatsschule lebt Lara bei einer Gastfamilie, schließlich möchte sie die US-amerikanischen Traditionen und die Kultur aufsaugen. Bereits in der ersten Woche schließt Lara neue Freundschaften. »Ich habe direkt zu Beginn der Highschool Volleyball gespielt und dadurch gleich zehn neue Freundinnen gewonnen«, erklärt Lara – und hat so auch einen Tipp für alle, die in die USA gehen wollen: »Wenn man nicht sportlich begabt ist, dann sollte man in Theaterclubs oder dergleichen gehen. Die Menschen dort wollen einen auch einfach kennenlernen, weil man woanders herkommt.« So verschwindet auch ihre anfängliche Angst, sie könnte fernab der Heimat alleine sein.

Genau wie bei der BasKIDball-Familie, die sie – vorübergehend – verlässt, nimmt sie an der Highschool ein Gefühl von Gemeinschaft wahr. Vor allem der »School-Spirit« bleibt Lara in Erinnerung: »Der Sport steht dort an erster Stelle. Ich habe Leichtathletik, Volleyball und Basketball trainiert und dann an den Wettkämpfen teilgenommen. Ich konnte in den Supermarkt gehen – und jede Person im Ort schien mich zu kennen. Nach dem Gewinn der Highschool Basketball State Championship sogar im ganzen Bundesstaat.«

Kurze Auszeit auf dem Weg zur State Championship – Foto © St. Johnsbury Academy

Zumal dort die halbe Schule, die halbe Stadt zu den Spielen komme – während Mädchenbasketball in Deutschland nicht sehr viele Leute interessiere. Eigentlich wäre Lara auch momentan in den USA – um sich sportlich für ein Stipendium zu empfehlen und sich auf die College-Zeit vorzubereiten. Lara hatte sich schon für eine andere Highschool in der Nähe von Buffalo im Bundesstaat New York entschieden – wo sie bei ihrer Trainerin gewohnt hätte. Doch die Corona-Pandemie hat diese Pläne vorerst durchkreuzt.

Laras College-Traum lebt allerdings weiter. Langfristig sieht sie sich als Erstligaspielerin, zumindest für einige Jahre – auch wenn sie parallel eine berufliche Karriere anstrebt. Inmitten dieser ungewissen Zeit weiß Lara zwar noch nicht, was sie später einmal machen will – aber vielleicht hat BasKIDball ihr perspektivisch auch hier geholfen: »Etwas Soziales und mit vielen Menschen zu arbeiten« sei das Richtige für sie. »Vielleicht möchte ich nebenbei eine Kindermannschaft trainieren. BasKIDball hat mir gezeigt, dass es mir Spaß macht, mit Jüngeren zu arbeiten.« Dem Basketball treu bleiben wird Lara auf jeden Fall.

Auch persönlich hat Lara viel aus dem BasKIDball-Projekt mitgenommen: Sie sei anfangs sehr schüchtern gewesen, erzählt sie, aber durch BasKIDball sei sie viel offener geworden. »Am Anfang kannte ich bei den Camps keinen, doch die Menschen sind offen auf mich zugegangen und haben einfach gefragt, ob ich mitspielen möchte – und das hat meinem Selbstwertgefühl auf jeden Fall geholfen. BasKIDball ist eine der besten Erfahrungen, die ich je hatte.«

Das Projekt BasKIDball

BasKIDball ist eine Gemeinschaftsinitiative von iSo – Innovative Sozialarbeit und der ING. Das Projekt, das unter der Schirmherrschaft von Dirk Nowitzki steht, unterstützt Kinder und Jugendliche an mittlerweile 20 Standorten in ganz Deutschland. In der Regel erfolgt eine Umsetzung in Stadtteilen mit besonderen Herausforderungen. Neben der sportlichen Freizeitgestaltung mit Trainerinnen und Trainern sowie sozialpädagogischem Personal gehören überregionale Treffen, Feriencamps und Mentorenangebote zu den Eckpfeilern.

Weitere Infos sind unter www.baskidball.de zu finden.

___ von Manuel Baraniak.

Foto © St. Johnsbury Academy