Über Umwege zum Ziel

Antonios Mitsiioannou kam als Jugendlicher zu BasKIDball. Warum er dem Projekt auch im Studium treu bleibt, erzählt er FORTYONE.

»Offene Türen«. Dieses Begriffspaar fällt immer wieder, wenn man mit Beteiligten über BasKIDball spricht. Das ist kein Zufall. Offene Türen sind das Ziel dieses besonderen Projekts, vermutlich sogar das wichtigste Markenzeichen. Deutschlandweit und an inzwischen 20 Standorten spielen hier junge Menschen zwanglos Basketball. Ohne Spielbetrieb, aber mit einem festen Anlaufpunkt an einem festen Ort zu festen Zeiten. Und wer nicht spielen will, kann einfach kommen und chillen. Und vor allem: Das Ganze ist kostenlos. Ein nicht ganz unwichtiger Faktor, da vor allem Jugendliche aus prekären Verhältnissen angesprochen werden.

Um offene Türen zu nutzen, muss man die Bereitschaft mitbringen, sie auch zu durchschreiten. Was so einfach klingt, ist nicht für jeden selbstverständlich. Der heute 20-jährige Antonios Mitsiioannou beispielsweise war noch ein Kind, als er zum ersten Mal von BasKIDball hörte. Anfangs war es nur ein Reinschnuppern, ein unregelmäßiges Auftauchen am Standort Frankfurt. »Ich hatte«, blickt Antonios zurück und sucht kurz nach der passenden Umschreibung, »damals nicht viel Eigeninitiative. Das erklärt es wohl am besten.«

Aufgewachsen ist er im Frankfurter Galluspark. »Viele Wohnblocks, viele Menschen mit Migrationshintergrund«, umschreibt er das Viertel. Ein Bolzplatz mittendrin; ein Treffpunkt für viele aus der Gegend und ein Ort, um sich sportlich auszutoben. Aber auch, um abzuhängen, Unfug zu machen. Aber: Basketball? »Da waren Kieselsteine auf dem Boden«, sagt Antonios, und: »Man hatte ein Basketballfeld überkreuz auf den Fußballplatz gesetzt«, blickt er lachend zurück. »Ein absoluter Reinfall.« Irgendwann wurden die Frankfurter BasKIDball-Verantwortlichen auf ihn aufmerksam, sprachen ihn an und luden ihn ein, mal vorbeizukommen.

Erst reingeschnuppert, dann regelmäßiger Gast

Standortleiter und Trainer Robert Anywar kann sich noch sehr gut an die Zeit erinnern, als Antonios den Weg zum Projekt fand. Und auch daran, dass sich erst nach einiger Zeit eine gewisse Regelmäßigkeit einstellte. Das Gute: Die Türen von BasKIDball bleiben offen – das ist das Prinzip des Projekts. Für jene, die nur sporadisch vorbeischauen, schließen sie sich nicht wieder – anders als in vielen Sportvereinen. »Antonios war zwölf, als er das erste Mal bei uns in der Halle stand«, erinnert sich Robert, der beim Sportkreis Frankfurt für den BasKIDball-Standort Frankfurt verantwortlich ist. »Er kam mit seinem Bruder, schaute sich das alles an – und war erstmal wieder verschwunden«, blickt er zurück. Antonios war damals froh, dass er seinen Bruder dabei hatte. »Alleine hätte ich mich damals wahrscheinlich niemals getraut.« Viele Jungs in der Halle waren älter als er, größer und stärker. Antonios ging ein paar Mal hin, dann nicht mehr. Konkrete Gründe kann er rückblickend gar nicht mehr benennen. Aber: Der Grundstein war gelegt.

Die Freiheit, kommen und gehen zu können, wie man möchte, ist für viele Jugendliche extrem wichtig. Es geht um Attraktivität und Spaß, nicht um Termindruck. Aber wer dann immer wieder kommt, und Talent mitbringt, kann auch gezielt gefördert werden. »Wir hatten einen Jungen, der ebenfalls im Alter von zwölf Jahren bei uns mitmachte: Jim Gietz«, erzählt Robert Anywar. »Vier Jahre später war er Finals-MVP in der Jugend Basketball Bundesliga.« Mit seinen Leistungen im Endspiel trug er entscheidend dazu bei, dass Eintracht Frankfurt Deutscher U16-Meister wurde.

Antonios am Ball © BasKIDball

Antonios, dessen Eltern aus Griechenland stammen und der in Deutschland geboren wurde, machte nach dem Erstkontakt mit BasKIDball zunächst einmal den Schritt in einen Verein. »Ich war noch sehr jung«, erinnert er sich. »In der Mannschaft spielten viele Ältere. Es war leider nicht so gut organisiert, und ich durfte lediglich nur ein bisschen auf den Korb werfen.« Fast logisch, dass seine Motivation sank. Als die Vereinsmannschaft sich auflöste, spielte er eine Weile lang nicht mehr. Aber weil seine Liebe zum Basketball längst entflammt war, schaute er erneut beim BasKIDball-Projekt vorbei.

Robert Anywar sind solche Entwicklungen wie bei Antonios durchaus bekannt »Wir sind ein offenes Projekt«, sagt er. Ausprobieren, zweifeln, fortbleiben, wiederkommen: das ist Tagesgeschäft. »Der Spaß am Basketball steht im Mittelpunkt, aber der Sport ist bei uns hauptsächlich dazu da, vielerlei Anreize zu schaffen.« Anreize für den gemeinsamen Zeitvertreib, für Gespräche und für die Persönlichkeitsentwicklung. Mittendrin: Antonios. »Er war dann irgendwann wieder bei uns, was mich natürlich sehr gefreut hat. Das spezielle BasKIDball-Gefühl hat ihm gefallen.« Und ganz so antriebsarm und ohne Eigeninitiative – wie er sein jüngeres Ich manchmal selbst beschreibt – war Antonios gar nicht: Nebenher spielte er Schach mit zum Teil bemerkenswerten Resultaten, hinzu kam eine Affinität zum Kraftsport. »Ein Thema, über das wir uns sehr gut austauschen konnten«, sagt Robert Anywar lachend.

Erfahrungen an andere weitergeben

Austausch und Kommunikation, offene Türen und offene Ohren: All das sind Merkmale, die auch Andreas Schiebel betont, wenn er über BasKIDball spricht. Schiebel ist Leiter der Koordinierungsstelle des Projekts in Bamberg und hat alle 20 Standorte im Blick. Frankfurt gehörte zu den ersten und zeichnet sich dadurch aus, dass in gleich zwei Hallen Zeiten angeboten werden. »Das soziale Miteinander ist ganz wichtig. Wir setzen auf Freiwilligkeit und sind eine Art Jugendclub in der Sporthalle«, fasst er die Grundausrichtung zusammen. Antonios‘ Erfahrung sieht er als geradezu exemplarisch: »Er hat das Angebot genutzt und übernimmt nun selbst Verantwortung: eine tolle Entwicklung!«

Tatsächlich bleibt es bei dem jungen Frankfurter, der nach einem exzellenten Abitur inzwischen Medizin studiert, nicht beim offenen Angebot. Er lässt sich zum Assistenten ausbilden. Gerade das Gemeinschaftsgefühl habe er immer besonders geschätzt. »Als sich die Möglichkeit bot, dort mitzuhelfen, war ich sofort dabei«, erinnert er sich. »Bei einem Standorttreffen in Frankfurt habe ich das erste Mal konkret darüber nachgedacht, selbst als Betreuer bei BasKIDball aktiv zu werden«, erinnert er sich. Ein Jahr lang wurden monatliche Aufgaben gestellt, schließlich folgte die Prüfung.

»Seitdem bin ich Assistant«, sagt Antonios. »Das macht mir riesigen Spaß«. Obwohl er sehr zielstrebig studiert, nimmt er sich weiter die Zeit, regelmäßig mit den jungen Menschen in der Halle zu stehen, zu sprechen und einfach Zeit zu verbringen. »Ich bleibe so lange an Bord, wie es die Zeit erlaubt.«

Antonios im Gespräch mit anderen BasKIDball-Assistants © BasKIDball

»BasKIDball hat mir sehr geholfen«, sagt Antonios. »Gerade zu einer Zeit, die ich sonst eher mit Computerspielen daheim verbracht hätte.« Zunächst war da die sportliche Weiterentwicklung. Und eben dieser Fortschritt habe ihm dann geholfen, auch seine schulischen Leistungen zu verbessern. »Es hat mir gezeigt, dass man durch Arbeit und Einsatz vorankommt.« Und deshalb schaut er heute ganz genau hin, wenn Kinder und Jugendliche in die Halle kommen, tauscht sich mit ihnen aus. Warum sind sie hier? Was wollen sie? Was brauchen sie? »Ohne BasKIDball wäre ich heute nicht da, wo ich jetzt bin.« Aus dem Teilnehmer ist ein Türenöffner geworden.

Das Projekt BasKIDball

BasKIDball ist eine Gemeinschaftsinitiative von iSo – Innovative Sozialarbeit und der ING. Das Projekt, das unter der Schirmherrschaft von Dirk Nowitzki steht, unterstützt Kinder und Jugendliche an mittlerweile 20 Standorten in ganz Deutschland. In der Regel erfolgt eine Umsetzung in Stadtteilen mit besonderen Herausforderungen. Neben der sportlichen Freizeitgestaltung mit Trainerinnen und Trainern sowie sozialpädagogischem Personal gehören überregionale Treffen, Feriencamps und Mentorenangebote zu den Eckpfeilern.

Weitere Infos sind unter www.baskidball.de zu finden.

___ von Torben Rosenbohm.