»Offen für neue Perspektiven«

Leichtes Spiel durch hartes Training und eine neue Vision von Sport für Kinder – davon erzählt Henning Harnisch im Gespräch mit Silke Mayer

»Mein Interviewpartner in dieser Podcast-Folge ist der ehemalige deutsche Basketballnationalspieler und jetzige Vizepräsident von Alba Berlin, Henning Harnisch. Mit ihm habe ich mich über die Wichtigkeit von Sport für Kinder unterhalten – und über neue Wege, wie man die Nachwuchsförderung aufziehen kann.«

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Silke Mayer: Henning, Du kannst auf eine sehr erfolgreiche aktive Karriere als Basketballer zurückblicken. Unvergessen bleibt mir der Gewinn der Europameisterschaft 1993 in der Münchner Olympiahalle, als Du mit der deutschen Nationalmannschaft in einem Herzschlag-Finale den Sieg gegen Russland geholt hast. Welche persönlichen Eigenschaften haben Dir dabei geholfen?

Henning Harnisch: Der Kern war, dass mir Basketball einfach so einen Spaß gemacht hat. Ich hatte ein »Lernen Wollen« als Grundlage und war extrem ehrgeizig. Ich wollte schon immer gewinnen und Erster werden. Ich war aber auch immer ein Filou, mir haben auch andere Sachen Spaß gemacht.

Was hat Dich als Spielerpersönlichkeit ausgemacht?

Ich habe den Sport mit viel Leidenschaft gemacht. Ich habe immer mit viel Spaß gespielt, und das konnte ich ins Team einbringen. Ich hatte Lust, ein guter Verteidiger zu sein. Ich bin aufgewachsen mit einer Generation jugoslawischer Spieler wie Vlade Divac oder Toni Kukoč, die ich bewundert habe. Am liebsten wäre ich nach Split gezogen. Diese Spieler waren so viel besser und hatten eine Leichtigkeit in ihrem Spiel. Da hatte ich noch wenig Ahnung davon, wie hart die trainiert haben. Aber das Endprodukt, wie schön und selbstlos sie gespielt haben, einzeln und als Gruppe, fand ich faszinierend. Bei der Junioren Weltmeisterschaft 1987 in Bormio hat dieses Team die Amerikaner total leicht geschlagen. Das war der beste Basketball, den es damals gab. Am schönsten fand ich, wie die Spieler passen konnten, vor allem Toni Kukoč mit seiner Körpergröße von 2,10m. Ich wollte auch immer so ein toller Passgeber sein. Und in den USA habe ich beigebracht bekommen, dass der Dunking Teil des Spiels ist und cool ist. Das waren meine zwei Epizentren der Inspiration: Jugoslawien und USA.

»Trainer sind so wichtig wie Lehrer und Erzieher und Sozialarbeiter.«

1998 hast Du deine Karriere als Profisportler beendet. Wie war der Übergang für Dich?

In einem Gespräch mit Marco Baldi habe ich damals gemerkt, dass ich eigentlich aufhören will, und das zum ersten Mal so ausgesprochen. Dann haben wir drei Stunden über das Leben geredet. Es hat sich wahnsinnig richtig angefühlt. Ich konnte mit einem Sieg aufhören. Zack. Ruhe. Ich wollte aufhören, weil ich meinen vielen anderen Interessen in Ruhe nachgehen wollte. Ich wollte studieren und war so müde von den ganzen Basketball-Abläufen.

Nach Deiner Karriere hast Du bei Alba Berlin in verschieden Rollen gearbeitet. Wie haben sich Deine Arbeitsschwerpunkte verändert?

Nach meinem Magister 2004 habe ich bei Alba angefangen, als Team Manager im Profisport. Alba hatte damals noch kein eigenes Kinder- und Jugendprogramm und ich dachte, eigentlich wäre es doch total interessant, wenn so ein Verein wie Alba etwas Eigenes startet. Aber eigentlich sollte ich ja für das Profi-Team arbeiten und das hat mir auch Spaß gemacht, aber so richtig geeignet bin ich dafür glaub ich nicht. Ich finde für die Rolle der sportlichen Leitung ehemalige Trainer viel logischer. Das, was mich interessiert, geht eher so in die Richtung Sportentwicklung – und das ist das Profi-Team ganz selten. Ein Profi-Team lebt davon, dass man die richtigen Leute hat und bestenfalls auch noch das Geld. Da war ich gerne Teil davon, aber ich war froh, dass ich nebenher mit anderen Leuten das Kinder- und Jugendprogramm entwickeln konnte, und das wurde dann irgendwann viel zu wichtig und zu groß. Ich habe mich mit Marco Baldi zusammengesetzt und wir haben uns gefragt, wie wir das neu lösen können. Für den Profibereich kam mein Nachfolger Mithat [Demirel], und unter dem Titel des Vizepräsidenten war ich ausschließlich für das Kinder- und Jugendprogramm zuständig.

Alba Berlin ist mehr als ein Basketballverein. Ihr integriert die soziale Arbeit in die Vereinswelt. Du sprichst oft von einer neuen Sportidee. Was ist Deine Vision dahinter?

Ich glaube, die Zukunft des Sports muss darin liegen, dass man den Kinder- und Jugendsport als ein Arbeitsfeld denk. Die Leute arbeiten an den Bildungsorten wie Kindergärten und Schulen mit und bilden die Schnittstelle für die Kinder und Jugendlichen in den Bereich Ferien und Freizeit. Trainer sind so wichtig wie Lehrer und Erzieher und Sozialarbeiter. Es gibt dann – ähnlich wie Schulleiter oder Hortleiter – auch einen Sportleiter in dem Verein. Wenn man das so denkt und aufbaut, geht es darum, dass man seinen eigentlichen Handlungsraum definiert. Also, wo ist man tätig? Und sich dort anschaut, wie viele Kindergärten und Grundschulen und weiterführende Schulen gibt es, und idealerweise alle bespielt – zusammen mit den Lehrern, Erziehern und Sozialarbeitern. Und dann entscheidet, wer Lust hat, mehr zu machen an der Schule. Schule ist der beste Ort, um niedrigschwellig Zugang zum Sport herzustellen. Wenn jede Grundschule in Deutschland eine Basketballmannschaft hätte, das wäre schon eine ganz gute Grundlage. Und für die Kinder, die noch mehr wollen, gibt es dann das vertiefende Angebot nach 16 Uhr und an den Wochenenden und in den Ferien in den Vereinen. Alles simpel. Es ist wichtig, dass man Highlights schafft und Attraktivität herstellt durch Wettbewerb, Liga und Ferienangebote. Wenn das alle so mitmachen, lädt man eine Nachbarschaft oder einer Region mit Sport auf und bestenfalls wird das für andere Leute attraktiv, dass sie mitmachen wollen. Zum Beispiel, dass einer der Sport studiert, dann Sportlehrer werden möchte, weil das mehr Spaß macht, oder einer wird Schulleiter dort, der auch Sportlehrer ist, weil das toll ist, wenn alles miteinander verknüpft ist. Das wäre die idealisierte Welt, die wir in dem Stadtteil Gropiusstadt bereits umzusetzen versuchen.

Das Gespräch in voller Länge

Wenn Du wissen willst, warum Henning die Welt des Sports in einer Krise wahrnimmt und welche Rolle Trainer im Schulsport spielen können, dann hör Dir das gesamte Gespräch hier oder hier an.

Unser Anliegen im 41Campus ist es, die persönliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in Sportteams wertebewusst zu begleiten. Deshalb wollen wir vor allem Trainer und Trainerinnen in ihrer Vorbild- und Mentorenfunktion stärken. In unserem Podcast spreche ich mit erfolgreichen Menschen im Sport über werteorientiertes Leadership.

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Foto © Alba Berlin

Henning Harnisch, 1968 in Marburg geboren, ist einer der erfolgreichsten deutschen Basketballer. Neben neun Meistertiteln und fünf Pokalsiegen mit Bayer Leverkusen und Alba Berlin wurde er 1993 mit der Nationalmannschaft Europameister. Nach seiner aktiven Karriere arbeitete als Journalist für Zeitungen und Radio. Heute geht er als Vizepräsident von Alba Berlin neue Wege in der Nachwuchsförderung.

___ von Silke Mayer.

Foto Headerbild © Gerald von Foris